Der Versandhändler Amazon investiert einen Milliardenbetrag in das KI-Start-up Anthropic. Eine große Chance für den Konzern, der damit vor allem seine Cloud-Sparte aufwertet
Microsoft hat ChatGPT, Alphabet hat Bard und auch Amazon will jetzt im Bereich künstliche Intelligenz (KI) kräftig mitmischen, in dem das Unternehmen momentan eher als Nachzügler gilt. Wie jüngst bekannt wurde, will der Versandhändler und Cloud-Computing-Anbieter bis zu vier Milliarden Dollar in das KI-Start-up Anthropic investieren.
Die Cloud-Sparte AWS soll zunächst Anteile für 1,25 Milliarden Dollar übernehmen. Daneben gibt es eine Kaufoption über weitere 2,75 Milliarden Dollar. Neben Amazon sind bereits Alphabets Tochter Google und der deutsche Softwarehersteller SAP investiert. Im Rahmen des Investments von Amazon sollen dessen Kunden bevorzugten Zugriff auf die Software von Anthropic haben, zu der auch ein eigener Chatbot namens „Claude“ gehört. Laut Anthropic ist die KI-Software darauf spezialisiert, besonders umfangreiche Aufgaben wahrnehmen zu können. So könne der Chatbot beispielsweise Verträge zusammenfassen und ganze Bücher in kürzester Zeit einlesen und dazugehörige Fragen beantworten. Der Fokus soll auf Unternehmenskunden liegen.
Im Zuge des Investments plant Anthropic außerdem, seine KI hauptsächlich auf der AWS-Cloud laufen zu lassen. Dazu kommen noch Tausende von Spezialchips, die das Start-up bei Amazon einkauft, mit denen die KI-Software trainiert werden soll. Ein wichtiger Meilenstein für Amazons eigene Chipabteilung, die neuerdings spezielle Prozessoren für Anwendungen für maschinelles Lernen anbietet. Viele innovative KI-Anwendungen setzen bisher auf teure Chips von Nvidia, die bis zu 40 000 Dollar kosten.
Durch den Verkauf von preiswerteren KI-Chips könnte ein neuer Umsatz- und Gewinntreiber für Amazon entstehen.
Auch der bisher unprofitable Sprachassistent Alexa wird voraussichtlich von KI-Features profitieren. Im Rahmen einer Produktpräsentation wurden neue Funktionen vorgestellt. So soll Alexa dann dazu in der Lage sein, eine eigene Meinung zu Sportteams zu entwickeln und Unterhaltungen auch nach Unterbrechungen fortzuführen. Laut dem scheidenden Alexa-Chef Dave Limp dürften Alexas KI-Funktionen dabei nur über ein kostenpflichtiges Abo erhältlich sein, was Aktionäre freuen sollte. Schließlich war der Sprachassistent für Amazon bisher ein Verlustgeschäft.
FTC verklagt Amazon
Bei all den positiven Nachrichten wird die Stimmung jedoch von einer Klage in den USA getrübt. Die Wettbewerbsbehörde FTC und 17 Bundesstaaten kreiden dem Versandhändler eine mutmaßlich illegale Monopolstellung an. So würden Händler dazu gezwungen, Amazons Logistik- und Lieferdienstleistungen zu nutzen, um im Gegenzug auf der Plattform prominent platziert zu werden. Zudem bestrafe der Versandhändler Verkäufer, die ihre Waren auf konkurrierenden Internetseitengünstiger anböten. Die Klage kommt weder aus heiterem Himmel, noch ist sie die erste gegen den E-Commerce-Giganten. In einem noch laufenden Verfahren wird Amazon beschuldigt, dass Kunden in Amerika ein Prime-Abo ohne eindeutige Zustimmung abgeschlossen hätten. Der Konzern gibt sich selbstbewusst: Die eigenen Geschäftspraktiken hätten Wettbewerb und Innovationen im US-Einzelhandel gestärkt, die Produktauswahl vergrößert und die Lieferzeiten verkürzt. Auch bei Anlegern hält sich der Pessimismus in Grenzen, die Aktie ging am Tag der Einreichung der Klage fast unverändert aus dem Handel.
Auch wenn der Ausgang des Verfahrens ungewiss ist: Die vergleichsweise niedrige operative Marge von Amazon würde nicht für eine Monopolstellung sprechen, hieß es von Analysten. Anleger sollten sich nicht verunsichern lassen, bis zu einem Urteil könnte es außerdem ein weiter Weg sein. Amazon ist als Investment weiterhin attraktiv. Die Cloud-Sparte wird durch die KI-Investitionen noch wertvoller, und Alexa soll endlich Geld bringen. Kein schlechter Zeitpunkt für langfristig denkende Anleger.
Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Vorstand der Börsenmedien AG, Herr Leon Müller, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Amazon.